09. Mai 2023 um 18:30 & 21:00 Uhr jeweils Film & Filmgespräch mit
Charly Wai Feldman | 2023 | 89 Min. | OmdU
2015 wird Sara Mardini, syrische Leistungsschwimmerin, zur Heldin. Auf der Flucht über das Mittelmeer versagt der Motor des überfüllten Schlauchbootes. Es droht zu kentern. Gemeinsam mit ihrer Schwester Yusra springt sie ins Wasser, zieht das Boot über drei Stunden schwimmend an Land und rettet alle Geflüchteten vor dem Ertrinken.
Die Geschichte macht auf der ganzen Welt Schlagzeilen. Netflix verfilmt sie.
Sara bekommt Asyl in Deutschland, kehrt jedoch nach Lesbos zurück, um Geflüchteten zu helfen. Doch ihre humanitäre Arbeit führt 2018 zu ihrer Verhaftung. Seitdem wartet Sara gemeinsam mit 24 anderen Aktivist*innen auf einen Prozess, der sie für 25 Jahre ins Gefängnis bringen könnte.
Über vier Jahre hat die Filmemacherin Charly Wai Feldman Saras Kampf um Gerechtigkeit und um eine neue Zukunft in Berlin begleitet. Der Film beginnt da, wo die Netflix-Produktion “THE SWIMMERS” aufhört. Nach dem Abflachen der Aufmerksamkeit muss sich Sara mit den zermürbenden Mühlen der griechischen Justiz herumschlagen und versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen – alles im Schwebezustand zwischen Freiheit und drohender Gefängnisstrafe.
Die im Januar begonnene Gerichtsverhandlung von Aktivist*innen wie Sara Mardini und Séan Binder gibt dem Film eine besondere Brisanz und Aktualität. Sie wirft ein Schlaglicht auf den Versuch, Solidarität mit Geflüchteten zu kriminalisieren.
Nach der Vorstellung werden wir mit Schauspieler*innen und Filmschaffenden ein Hintergrundgespräch führen. Moderiert wird der Abend vom Dunya Collective das selbst über ein Jahr auf der Insel Lesbos zu Flucht und Migration recherchiert hat.
EINE KOOPERATION VON:
DUNYA COLLECTIVE
SÄCHSICHER FLÜCHTLINGSRAT e.V.
REFUGEE LAW CLINIC DRESDEN
SEEBRÜCKE DRESDEN
VOLKSHOCHSCHULE DRESDEN
THALIA KINO DRESDEN
Stéphane Malterre & Garance Le Caisne | 2022 | 104 min | OmdU
In Kooperation mit:
Move It Filmfestival & Volkshochschule Dresden
Unter dem Decknamen Caesar machte ein ehemaliger Militärfotograf des Assads-Regimes tausende Aufnahmen zu Tode gefolterter Menschen aus syrischen Gefängnissen. Aus ethischen Gründen wurde er zum Überläufer und machte diese Fotos der Öffentlichkeit zugänglich. Während die Ermordeten und Verschwundenen drohen, in Vergessenheit zu geraten, versuchen ihre Familien, Anwälte und eine kleine Gruppe von Aktivisten, Klagen bei europäischen Gerichten einzureichen. In dem deutsch-französischen Dokumentarfilm spricht Caesar zum ersten Mal vor der Kamera. Regisseur Stéphane Malterre & Ko-Autorin Garance Le Caisne porträtieren den Kampf der Familien & verfolgen, die Ermittlungsverfahren, die dazu führen, dass gegen höchste Beamten der Regierung von Bashar al Assad Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen wurden.
Im Anschluss an den Film gibt es ein Filmgespräch mit dem syrischen Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Anwar al-Bunni. Seine unermüdliche Arbeit, die Verbrechen des Assad-Regimes aufzudecken und juristisch beweisbar zu machen, führte zu einem historischen Urteil vor dem Oberlandesgericht Koblenz: Ein Leiter des syrischen Foltergefängnisses „Branch 251“ in Damaskus war wegen Folter in 4.000 Fällen und Mord in 58 Fällen angeklagt und im Januar 2022 zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden.
Die Recherchearbeit al-Bunnis und seiner Kolleg*innen trugen maßgeblich dazu bei, dass der Prozess zustande kam – die sogenannten Caesar Files spielten in dem Verfahren eine große Rolle.
Auch seine persönlichen und familiären Geschichten sind geprägt von der Verfolgung eines der mörderischsten Regimes unserer Zeit.
Kurz nach dem 12. Jahrestag der syrischen Revolution freuen wir uns daher sehr, Anwar Al-Bunni zum Filmgespräch in Dresden begrüßen zu können.
Yalda Afsah & Ginan Seidl | DE I 2015 | 30 min | OmdU
Die Kurzdokumentation „Boy“ (https://www.rosenpictures.com/Projekte/BOY) ist ein sensibles Doppelporträt zweier Frauen, die sich bewusst jenseits tradierter Geschlechterrollen verorten und damit das patriarchale System Afghanistans infrage stellen.
Erzählt wird die Geschichte von Farahnoz, die im afghanischen Mazar-I Sharif als Junge aufwächst. Sie spielt Fußball, fährt Fahrrad, geht in die Schule und hilft ihrer Familie, indem sie alltägliche Aufgaben erledigt. Anders als andere Mädchen in ihrem Alter, die längst verheiratet sind und im Haus bleiben müssen, genießt sie Freiheiten, die in Afghanistan sonst nur Männern vorbehalten sind.
Farahnoz wurde in der Tradition der „Bacha Posh“ erzogen. Als „Bacha Posh“ werden in Afghanistan einzelne Mädchen von frühester Kindheit an als Jungen gekleidet und erzogen. Bis heute sind Söhne in Afghanistan mehr wert als Töchter – sie sind Beschützer, Bank und Altersvorsorge für ihre Eltern. Wenn Mütter keinen Stammhalter zur Welt bringen, gelten sie als Versagerinnen. Ist nach fünf Kindern immer noch kein Sohn geboren worden, so erlaubt es die Tradition deshalb, die jüngste Tochter zur „Bacha Posh“ zu machen. Doch die Angst vor einer Zwangsehe hängt über Farahnoz hängt wie ein Damoklesschwert. Gelten die „Bacha Poshs“ als heiratsfähig, werden sie wie „normale“ Mädchen verheiratet.
Die afghanische Sängerin Elaha kennt dieses Gefühl. Sie entschied sich selbst zu einem Leben als Junge, um selbstbestimmter zu sein. Sie beschreibt sehr genau, wie anders die Umwelt auf sie reagierte, aber auch, warum die Maskerade an ihr Ende kam, als sie als junge Frau Morddrohungen der Taliban erhielt.
Farahnoz und Elaha beeindrucken durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Gleichzeitig wird deutlich sichtbar, wo der Wille zu Freiheit und Selbstbestimmung an die Grenzen verkrusteter gesellschaftlicher Vorgaben stößt – sei es in Afghanistan oder in Europa.
Gespräch mit:
Nilofar Schoaib (deutsch-afghanische Aktivistin und Feministin)
Mina Faizi (Feministin, Afghanistan, lebt seit kurzem in Deutschland)
Axel Steier (aktiv für die Rettung von afghanischen Ortskräften bei Mission Lifeline)
Ali Samadi Ahadi | DE | 2011 | 80 min | OmdU
The Green Wave spielt im Jahr 2009 und handelt von einer gestohlenen Wahl im Iran. Eindrucksvoll werden uns die damaligen Proteste in Erinnerung gerufen und vor Augen geführt, warum 2022 niemand mehr an die Reformierbarkeit der Islamischen Republik Iran glaubt und warum Straßenproteste an Militanz gewonnen haben. Deutlich sichtbar werden die Kontinuität der staatlichen Gewalt, der Folter und systematischen Anwendung sexualisierter Gewalt. Der Film ist eine Mischung aus Dokumentations- und Animationsfilm, neben Interview-Szenen finden sich animierte Erzählstränge, die aus Facebookposts und Twitternachrichten zusammengesetzt wurden.
Grün, das war das Erkennungszeichen der Anhänger:innen von Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi, der zur Symbolfigur der „grünen Revolution“ im Iran aufstieg. Die Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 sollten einen Wechsel bringen. Viele hofften damals noch auf die Reformierbarkeit der Islamischen Republik. Doch entgegen aller Erwartungen wurde der ultrakonservative Populist Mahmud Ahmadineschad im Amt bestätigt.
So deutlich das Ergebnis ausfiel, so laut und berechtigt waren dann auch die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Die anhaltenden „Wo ist meine Stimme?“-Protestdemonstrationen wurden von staatlichen Milizen (Basij) immer wieder brutal angegriffen und aufgelöst. Private Aufnahmen von Handys oder Fotokameras zeugen von dieser maßlosen Gewalt: Menschen werden verprügelt, erstochen, erschossen, verhaftet, verschleppt, manche verschwinden spurlos. Zahllose Tote, Verletzte und Folteropfer, und eine weitere tiefe Wunde im Herzen der Iraner bleiben zurück.
Der Film schafft ein tieferes Verständnis der revolutionären Bewegung im Iran heute.
Katja Riemann | DE | 2020 | 46 min | OmdU
Ole Jacobs und Arne Büttner | 2021 | 85 Minuten | OmdU